Einige Antworten sind wieder einmal ... faszinierend. Also von vorne:
Es gibt eine Pflicht, über die Kaution abzurechnen - faktisch zwar nur dann, wenn darauf zugegriffen wurde, aber als Grundsatz kann man das so festhalten. Das ist aber eine recht abstrakte Angelegenheit. Der einzige echte Anspruch, der dem Mieter daraus erwächst, wenn der Vermieter nicht abrechnet, ist die Rückzahlung der Kaution. Und wenn der Mieter diesen Anspruch geltend macht, kann der Vermieter ja an die so bekannt gewordene ladungsfähige Adresse die Abrechnung beweissicher zustellen. Deswegen muss man sich also kaum Sorgen machen.
Es gibt keine Pflicht, bei Forderungen auf die Kaution zuzugreifen. Ob man auf die Kaution zugreift oder nicht, kann man also im Einzelfall für jede Forderung separat überlegen. Die Kaution ist eine recht angenehme Sache für den Vermieter, daher greift man auf die Kaution normalerweise als letztes zu.
Der Zugriff auf die Kaution ist rechtlich betrachtet eine Aufrechnung, daher gilt für die Verjährung § 215 BGB. Neben der Tatsache, dass der Mieter keinen Einfluss auf den Zugriff auf die Kaution hat, ist das der andere Grund, weshalb die Kaution für den Vermieter so angenehm ist: Die Kaution hebelt die Verjährung aus.
Die kurze Verjährungsfrist (§ 548 BGB) kam bereits zur Sprache. Hier möchte ich noch darauf hinweisen, dass nur Ansprüche aus Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache dieser Verjährung unterliegen, also z.B. nicht Mietforderungen oder Betriebskostennachzahlungen.
Ausgestattet mit diesem Wissen, solltest du nun zwei Dinge zur Vorbereitung tun:
- Eine vollständige Auflistung aller Forderungen erstellen. Du hast da schon etwas getan, aber ich möchte hier noch besonders auf mögliche zukünftige Forderungen hinweisen. Bei Vertragsende sind ja normalerweise noch 1-2 Betriebskostenabrechnungen offen.
- Die Zahlungsfähigkeit des Mieters einschätzen. Hierbei sollte man neben dem Einkommen vor allem berücksichtigen, welcher Pfändungsfreibetrag für den Mieter gilt.
Dann gibt es eine Entscheidung zu treffen: Möchtest du die Forderung insgesamt verfolgen oder dich auf die relativ unaufwändige Aufrechnung mit der Kaution beschränken?
Man kann nun diskutieren, ob man auch nicht verfolgbare Forderungen wenigstens tituliert und alle 10 Jahre einen Vollstreckungsversuch unternimmt, aber im Kern muss man verstehen, dass man einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen kann. Es gibt da nichts zu gewinnen, völlig egal wie man dazu steht. Also rechnet man mit der Kaution auf und hakt den Rest seiner Forderungen ab. Diese Entscheidung könnte man auch treffen, wenn der nicht von der Kaution abgedeckte Teil der Forderung so gering ist, dass man deshalb keinen Aufwand betreiben will.
Wenn es so ist: Auch wenn die Zustellung per Einschreiben nicht beweissicher ist, ist die Sache für den Moment damit für mich erledigt. Der Mieter könnte später ankommen und behaupten, er hätte die Kautionsabrechnung nicht bekommen - dann schickt man sie eben zu diesem Zeitpunkt noch einmal, diesmal über den Gerichtsvollzieher und damit beweissicher.
Man sollte nun noch daran denken, dass die letzten Betriebskostenabrechnungen ebenfalls dem Mieter zugehen müssen. Erhält der Mieter keine Abrechnung, kann er seine Vorauszahlungen zurückfordern. Auch hier lässt sich das wieder abwenden, indem man eine korrekte Abrechnung zustellt. Ob der Vermieter eventuelle Forderungen aus der Abrechnung geltend macht, bleibt weiterhin ihm selbst überlassen.
So weit zum Fall, dass man mit der Kaution "zufrieden" ist. Sollte eine Kaution in voller Höhe vereinbart worden sein, reden wir hier allerdings von ca. 1,5 Kaltmieten (und ggf. noch weiteren Forderungen aus zukünftigen Betriebskostenabrechnungen) und zumindest ich bin durchaus bereit, für dieses Geld ein bisschen zu arbeiten, sofern ich eine grundsätzliche Aussicht auf Erfolg habe (s.o.). Wenn man nun also die Entscheidung trifft, dass man die Forderung weiter verfolgt, bietet sich folgendes Vorgehen an:
- Zunächst braucht man die neue Adresse des Mieters. Die scheint hier bereits vorhanden zu sein, aber nur der Vollständigkeit halber: Man erhält die neue Meldeanschrift auch über eine erweiterte Melderegisterauskunft. Dafür ist ein berechtigtes Interesse nachzuweisen - der Mietvertrag und die Aussage, dass offene Forderungen bestehen, ist dafür ausreichend.
- Als nächstes sollte die Forderung fällig gestellt werden. Das ist hier bereits erfolgt. Dass es besser gewesen wäre, das beweissicher zu erledigen (oder sich alternativ das Geld für das Einschreiben zu sparen), wurde bereits erwähnt. Ich sehe es in diesem Fall nicht als riesiges Problem. Ungünstig ist es trotzdem. Im Idealfall hätte man mit dieser Abrechnung/Mahnung den Mieter auch gleich in Verzug gesetzt.
- Es ist dem Vermieter freigestellt, ob er nun einen gerichtlichen Mahnbescheid beantragt oder direkt Klage erhebt. In der Regel bevorzugt man den gerichtlichen Mahnbescheid, weil das Kostenrisiko niedriger ist. Spätestens mit einem dieser beiden Mittel tritt Verzug ein, außerdem wird die Verjährung unterbrochen. Wenn also schon die Sachschäden nicht von der Kaution abgedeckt sind, muss man diesen Schritt innerhalb von 6 Monaten ab Rückgabe der Mietsache einleiten.
- Wie es danach weitergeht, hängt vom Verhalten des Mieters ab.
Oder kann ich gleich einen Mahnbescheid erstellen? Mit dem Restbetrag oder mit der Gesamtsumme?
Gesamtsumme. Auch mit einer titulierten Forderung kannst du noch aufrechnen. Wenn du dagegen jetzt die Aufrechnung erklärst, "soweit die Kaution ausreicht", darfst du nächstes Jahr der Betriebskostenabrechnung hinterherrennen.