Wenn man sich beim Kauf eines Mehrfamilienhauses ein Bild über die sinnvolle Höhe der Instandhaltungsrücklage machen möchte, werden einem Standardwerte bezogen auf das Alter des Hauses angeboten, wie zB
zwischen 22 und 32 Jahren | zwischen 9,00 und 10,00 Euro |
Bei einer sprachlichen Gestaltung, die die Herkunft von Informationen verschleiert, gehen bei mir immer die Alarmglocken an. Die Erfahrung zeigt: Hier ist irgendwie ziemlich selten Fehlalarm.
Dieser "Standardwert" stammt aus einer veralteten Fassung der Zweiten Berechnungsverordnung und wird inflationär in "redaktionellen Beiträgen" (lies: irgendjemand schreibt auf Honorarbasis, um mit vermeintlichen Informationen Kunden für das eigentliche Angebot anzulocken) zitiert, nicht unbedingt inhaltlich korrekt und fast immer aus dem Kontext gerissen. Wofür die II. BV eigentlich gilt, ist in deren § 1 geregelt. Im Kern geht es um den sozialen Wohnungsbau, auch wenn das etwas arg grob umrissen ist. Dieser "Standardwert" kommt aus § 28 und im gesamten vierten Abschnitt geht es im Kern um die Frage, welche Miethöhe bei preisgebundenem Wohnraum angesetzt werden darf.
Durch den Kontext sollte deutlich geworden sein, dass dieses Zahlenwerk zwar durchaus auf Fakten basieren mag, aber für ein ganz bestimmtes Wohnsegment steht und außerdem Spielball der Politik ist. Außerdem hat dieser Wert nicht den Anspruch, sämtliche Instandhaltungskosten abzudecken, denn außerhalb der drei Zahlenwerte (7,10 € bis 22 Jahre, 9 € bis 32 Jahre, 11,50 € darüber) ist der ganze § 28 voll von Dingen, die nicht in diesem Betrag enthalten sind. Außerdem wieder Kontext: Die Grundannahme hinter diesen Rechnungen ist normalerweise, dass ein privater Investor Wohnraum erstellt oder erwirbt und für eine gewisse Zeit zu verbilligten Konditionen anbietet. Dafür gibt es einen finanziellen Vorteil, z.B. dass nach Wegfall der Preisbindung die Miete erhebliches Entwicklungspotenzial hat oder es gibt einfach nur Fördermittel für den Bau. Selbst bei korrekter Einordnung der Zahlenwerte für die Instandhaltung sollte da eigentlich klar werden, dass das keine echte wirtschaftliche Betrachtung ist.
Aber mal ganz im ernst: 10€ pro m2 pro Jahr für Wartung, Inspektion, Reparatur und Ansparen für große Instandsetzungsmaßnahmen?! Alleine, wenn das Dach in 10 Jahren dran wäre (Kosten ca. 60.000€) und man 600m2 Wohnfläche hätte, würde das komplette Ersparte nur dafür draufgehen. Müsste man vorher nur eine Dachrinne reparieren, reicht es schon nicht mehr.
Das Dach sollte aber nicht nach 10 Jahren fällig sein und wenn man die ersten 30-50 Jahre, die die Beplankung klaglos durchgehalten hat, die Rücklage nicht gebildet hat, dann ist das nicht der Fehler der Berechnungsgrundlage.
Weiteres Problem: Dieses Zahlenmaterial ist selbstverständlich nicht direkt auf Wohnungseigentum anwendbar. Es wird dort zwar gerne von der Justiz als Anhaltspunkt verwendet, aber eher in Art einer "wenn dort schon Betrag X steht, müsst ihr auch wenigstens so viel zurücklegen"-Argumentation, nicht mit dem Anspruch echter Wirtschaftlichkeit. In der WEG kommt als weiteres Problem hinzu, dass die Zuführung zur Rücklage nicht die gesamten Erhaltungskosten ausmacht, denn laufende Reparaturen werden meist nicht aus der Rücklage bedient und das ganze Sondereigentum ist ja ohnehin ausgeklammert.
Ich weiß, die Petersche-Formel rechnet hier konservativer. Aber damit würde sich kein MFH rechnen.
Kommen wir zum großen Finale: Wenn ich nicht jährlich 1 % der
ursprünglichen Baukosten in die Erhaltung des Gebäudes stecken kann, habe ich ein wirtschaftliches Problem erster Güte. Über Peters wird gerne gesagt, dass er konservativ rechnet, aber das ist genau umgekehrt gemeint: Diese Berechnung schätzt die Kosten eher am unteren Ende des zu erwartenden ein, also leicht optimistisch. Für eine realistischere Betrachtung sollte man doch mindestens zu den ursprünglichen Baukosten die Inflation (noch besser: Preisentwicklung Baugewerbe) hinzurechnen und selbst dann kann man noch zu tief liegen.
Die Erkenntnis ist: Solche "Investments" lohnen sich nur, wenn man nach einem begrenzten Anlagezeitraum einen
"greater fool" findet. Dabei kann man einen Teil der notwendigen Erhaltungskosten selbstverständlich auch durch Eigenleistungen einbringen. Wenn man dafür keinen Kostenansatz vornimmt, stellt sich die Rechnung freundlicher dar, aber auch nur deshalb, weil man eigentlich falsch rechnet.
Zum Abschluss noch etwas Lektüre:
Dieser Artikel ist inzwischen 8 Jahre alt, aber im Kern so immer noch gültig. Die Gründe mögen sich leicht verschoben haben (d.h. die gleichen Gründe bestehen sicher nicht nur in Ostdeutschland oder überhaupt regional), aber insgesamt ist es nach wie vor so, dass "die Leute" sich wegen des ständigen Gejammers ob der Mieten und der bösen Berichterstattung über die noch viel böseren Vermieter irgendwie zusammenreimen, dass Vermieten eine wahre Goldgrube wäre. Darauf folgt eine wirtschaftliche Betätigung ohne selbst wirklich grundlegende wirtschaftliche Kenntnisse, ohne jede Form von Ergebniskontrolle und mit einem Wirtschaftsgut, bei dem aufgrund sehr langer Zyklen (wie lange nutzt man noch gleich eine Immobilie) ein ehrliches Gesamtergebnis des Unternehmens (und nichts anderes ist eine Vermietung!) schwer bis gar nicht möglich ist.