interessant, danke für die Ausführungen. So habe ich das bisher noch nirgends gelesen.
Sorry, ich muss das mal schreiben: Wenn du solche Dinge noch nirgends gelesen hast, hast du vermutlich noch nie irgendetwas über die Beschlussfassung in einer WEG oder über die Eigentümerversammlung gelesen. Nichts, was hier bisher geschrieben wurde, ist in irgendeiner Form ein besonderes Spezialwissen - das sind im Prinzip alles Basics.
Wenn der TOP aufgenommen ist, also eben etwas wie "Beschluss über die Instandsetzung des Flachdaches", und dann wird auf der ETV mit Mehrheitsmeinung ein Beschluss gefasst, ist er dann rechtsgültig?
"Rechtsgültig" ist ein unglückliches Wort, weil die rechtliche Klärung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hat. Das passende Wort ist "gültig". Wenn die ETV mehrheitlich einen Beschluss zur Instandsetzung des Daches fasst, das Abstimmungsergebnis vom Verwalter festgestellt und der Beschluss verkündet wird, ist dieser Beschluss gültig, und zwar sogar dann, wenn er gar nicht auf der Tagesordnung stand.
Das Gegenstück wäre "nichtig": Wenn die ETV mehrheitlich etwas beschließt, wozu sie gar keine Beschlusskompetenz hat (z.B. das Flachdach zu beseitigen und ein Steildach zu errichten), ist dieser Beschluss nichtig, in diesem Beispiel weil dieser Gegenstand nicht durch Beschluss geregelt werden kann.
Wenn ein Beschluss gültig ist, kommt noch eine weitere Kategorie: Ist der Beschluss anfechtbar? Wenn der Beschlussgegenstand (und was das bedeuten könnte, habe ich oben schon geschrieben) auf der Einladung zur Versammlung nicht angegeben ist, ist der Beschluss anfechtbar. Wenn für eine wesentliche Baumaßnahme keine Vergleichsangebote eingeholt wurden, ist der Beschluss anfechtbar. Wenn die Eigentümer nicht so rechtzeitig über den Sachverhalt in ausreichender Tiefe (Kosten, genaue Maßnahmen, Ablauf, ...) informiert wurden, dass eine angemessene Meinungsbildung möglich war, ist der Beschluss anfechtbar. Wenn auf der ETV keine Gelegenheit zur Diskussion bestand, ist der Beschluss anfechtbar. Die Liste ist lange fortsetzbar.
Im ersten Moment hat es überhaupt keine Auswirkungen, dass ein Beschluss anfechtbar ist. Das ändert sich erst, wenn jemand tatsächlich die Anfechtung des Beschlusses erklärt (Amtsgericht, 1 Monat ab Verkündung, eine Begründung muss innerhalb eines weiteren Monats abgegeben werden). Letztendlich findet dann eine gerichtliche Klärung statt, an deren Ende der Beschluss ggf. aufgehoben wird. Einen solchen Beschluss nennt man daher auch "Zitterbeschluss": Bis zum Ende der Anfechtungsfrist darf man zittern, ob der Beschluss gültig bleiben wird.
Diese Formalien sind in der Praxis nur dann relevant, wenn ein Eigentümer erkennbar gegen einen Beschluß und gleichzeitig ein Klagehansel ist.
Deine Weltsicht in allen Ehren: Auch wenn es Situationen gibt, in denen ein Zitterbeschluss ein gangbarer Weg ist, kann dieses Vorgehen doch nicht ernsthaft zur Handlungsmaxime erhoben werden. Nur weil es in manchen Fällen funktioniert, ist und bleibt es trotzdem falsch. Wir hatten das schon in einem anderen Thema, in dem du dich massiv dafür ausgesprochen hast, dass ein anfechtbarer Beschluss kein wirkliches Problem wäre: Es bremst die Umsetzung des Beschlusses aus. Oder soll der Verwalter nun vor Ablauf der Anfechtungsfrist (und einer angemessenen Laufzeit, um vom Gericht über das anhängige Verfahren informiert zu werden) schonmal auf Verdacht Aufträge erteilen? Sich ggf. ersatzpflichtig machen?
Wenn Einigkeit besteht, sollte stattdessen eine Vereinbarung getroffen werden. Und wenn keine Einigkeit besteht, sollte das Prozedere befolgt werden.